Sprungziele

Blick hinter die Kulissen: Interview zur Entstehung und Idee des Theaters "Ernstfall in der offenen Schule"

    Johannes Baumann und Lothar Rilling-Riehmann im Interview über die erfolgreiche Zusammenarbeit zur Theaterproduktion "Ernstfall in der offenen Schule".

    Offenheit im Denken und Handeln, was bedeutet das? Wie gelingt die praktische Umsetzung demokratischer Grundsätze im Alltag und wie offen darf eine Schulgemeinschaft sein? Diese Fragen lässt der frühere Leiter des Wilhelmsdorfer Gymnasiums, Johannes Baumann, in seinem Theaterstück anschaulich werden. Unter der Regie von Lothar Rilling-Riehmann entstand als Gemeinschaftsprojekt des Theaters in der Scheune und des Gymnasiums Wilhelmsdorf die Uraufführung des Stücks.

    Herr Baumann, Sie waren 30 Jahre als Schulleiter des Gymnasiums Wilhelmsdorf tätig, Herr Rilling-Riehmann, Sie waren über 35 Jahre lang Lehrer dort und auch nach Ihrer Pensionierung 2013 immer wieder als Vertretungslehrer aktiv. Können Sie beide sagen, was Sie an Ihrem Beruf geschätzt haben?

    BM:  Ich habe die Zusammenarbeit mit den Kollegen immer gemocht, die Gespräche und den wertvollen Austausch. Und natürlich hat es mich als Schulleiter auch gereizt in der Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler auch Einfluss auf die Rahmenbedingungen des Lernens zu haben.

    RR: Mich persönlich hat es nie aus Wilhelmsdorf weggezogen. Ich war dort seit meinem Referendariat Lehrer und habe den persönlichen und schulischen Freiraum dort sehr genossen. Der Umgang mit jungen Menschen und die Möglichkeit, ihnen wichtige Dinge zu vermitteln, die zum Teil auch über den Lehrplan hinaus gehen, hat mir gefallen.

    ____________________

    Herr Baumann, noch während Ihrer aktiven Zeit haben Sie das Theaterstück „Ernstfall in der offenen Schule“ verfasst. Wie ist der Text entstanden, gab es einen Auslöser und warum gerade ein Theaterstück?

    BM: Es gab eigentlich keinen konkreten Anlass. Ab 2017 habe ich mich intensiv mit den Themen offene Schule und Rechtspopulismus beschäftigt. Schnell hat sich für mich die Frage gestellt, wie man Kinder und Jugendliche zu diesem Thema erreichen kann und so entstand die Idee eines pädagogischen Stücks, bei dem junge Menschen auf emotionaler, ganzheitlicher Ebene Zugang zu dieser gesellschaftlichen Fragestellung gewinnen. Dass die die aktuelle Entwicklung in diese Richtung gehen wird und auch in unserer direkten Umgebung vergleichbare Fälle auftauchen, war so natürlich nicht vorhersehbar.

    Können Sie erklären, was Sie mit „offener Schule“ meinen? Wie nah ist die Schule im Stück an ihrer eigenen Schulerfahrung?

    BM: Eine offene Schule ist in vielfacher Hinsicht mit ihrer Außenwelt vernetzt, sie bindet externe Experten ein, pflegt den Austausch mit der Wissenschaft, den Wirtschaftsunternehmen vor Ort und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern über den Tellerrand hinauszuschauen. Darüber hinaus will  sie Offenheit im Denken: Toleranz ist deshalb ein zentraler Wert. Selbstverständlich ist das ein Ideal, das keine Schule vollständig erfüllt. Das Gymnasium Wilhelmsdorf habe ich aber immer als eine Schule verstanden, die diesem Ideal nachstrebt. So ist auch die Schule im Stück, kein Ideal oder Abbild das Gymnasiums Wilhelmsdorf, sondern steht stellvertretend für eine Gemeinschaft, die sich den aktuellen Herausforderungen, die sich für unsere Gesellschaft aus dem Rechtspopulismus ergeben, stellen muss.

    ____________________

    Herr Rilling-Riehmann, der „Ernstfall“, mit dem die Schule konfrontiert wird, ist Andreas Volz, eine ambivalente Lehrerfigur, die mit rechtspopulistischem Gedankengut sympathisiert und dies auch aktiv gegenüber Schülern und Kollegen vertritt. Was war Ihnen in der Darstellung seines Charakters wichtig?

    RR: Er sollte vor allem authentisch sein. Er ist ja kein Machtpolitiker oder handelt aus Eigennutz. Es geht ihm tatsächlich um die Sache und auch um die Schüler. Gewissermaßen ist er ja auch durchaus erfolgreich, treibt Schüler zu Höchstleistungen an, wenn auch nicht alle und mit eher fragwürdigen Methoden. Dieser Zwiespalt kommt besonders in dem Streitgespräch zwischen ihm und seinem Schulleiter heraus – hier prallen zwei Werte-Welten aufeinander, die einen inhaltlichen Konsens unmöglich macht.

    ____________________

    Beide sind Sie ehemalige Lehrer, haben unsere Gesellschaft und das Miteinander an einer Schule über lange Jahre beobachtet. Warum erscheint Ihnen beiden ein solches Theaterstück gerade jetzt so wichtig?

    RR: Ich denke, seit der Corona-Pandemie hat die Dynamik in unserer Gesellschaft unheimlich zugenommen und die Frage nach dem richtigen Umgang mit rechtspopulistischen Ideen stellt sich immer mehr. Vielleicht ist dieses Theaterstück unsere Beitrag zur Diskussion – auch eine Art Demonstration für unsere freiheitlich-demokratische Ordnung, wie sie in vielen Städten derzeit stattfinden.

    BM: Ja, tatsächlich hat sich in mir in der Zeit des Schreibens eine gewisse Sorge breit gemacht – ausgelöst von Fachtexten und Recherchen, die ich zur AFD gelesen habe. Wie nah das Stück, an dem heute realen Konflikt, wie man ihn gerade in Ravensburg erlebt, wo ein Funktionär der AFD an einer Berufsschule unterrichtet, sein würde, hatte ich so natürlich nicht erwartet.

    ____________________

    Wenn die Zuschauer nach der Aufführung die Scheune verlassen – was nehmen sie im Idealfall mit?

    RR: Das ist schwierig zu beantworten – jeder nimmt das mit, was er will und braucht. Natürlich wäre es schön, wenn sie emotional bewegt wären und wir alle anregt würden, uns mal wieder mit unseren Werten auseinandersetzten.

    BM: Für mich taucht da das Gespräch der Mutter Ahmadi mit Rico vor meinem geistigen Auge auf – eine meiner Lieblingsszenen in dem Stück. Der Rat der Mutter, unsere eigene Lebensmelodie zu finden, liegt mir sehr am Herzen. Und dazu gehört auch nach meinem Verständnis die zentrale Frage: Welche Rolle spiele ich in unserem gesellschaftlichen Miteinander und wie übernehme ich persönlich Verantwortung für unsere demokratischen Grundwerte?

    Alle Nachrichten

    De-Mail ermöglicht eine nachweisbare und vertrauliche elektronische Kommunikation. Zudem kann sich bei De-Mail niemand hinter einer falschen Identität verstecken, denn nur Nutzer mit einer überprüften Identität können De-Mails versenden und empfangen.

    Wenn Sie uns eine De-Mail an die oben angegebene Adresse senden möchten, benötigen Sie selbst eine De-Mail-Adresse, die Sie bei den staatlich zugelassenen De-Mail-Anbietern erhalten.

    Informationen, Erläuterungen sowie Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Sie auf der Website www.de-mail.de des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat. Über Ihre konkreten Möglichkeiten, De-Mail für die Kommunikation mit Unternehmen und Behörden zu nutzen, informiert Sie www.de-mail.info.